LAUTSPRECHER: Nicht in unserem Namen!

von Migrationscharta.ch, Schweiz, 18.04.2024, Veröffentlicht in Archipel 335

Die Schweizer Migrationscharta hat angesichts der Reform des Europäischen Asylsystems ein Manifest formuliert, das wir unterstützen und hier abdrucken: Grundrechte für alle, auch an den Grenzen!

Die im Dezember 2023 beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) steht vor der Umsetzung. Sie sieht vor allem vor:

  1. Dass geflüchtete Menschen, u.a. auch Familien mit Kindern, an den EU-Aussengrenzen in riesigen Flüchtlingslagern unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht werden;
  2. Dass dort möglichst viele Grenzverfahren ohne Rechtsschutz stattfinden. Diese Verfahren sollen u.a. für alle Menschen durchgeführt werden, die aus einem Land kommen, für das es weniger als zwanzig Prozent Chance auf Asyl gibt. Ziel ist es, sie möglichst schnell in die Heimat oder in ein vermeintlich sicheres Drittland zurückzuweisen;
  3. Dass die Personen, die Asyl erhalten, unter gewissen Bedingungen nach einem Verteilschlüssel den europäischen Ländern zugewiesen werden sollen. Die Länder, die niemanden aufnehmen wollen, können sich davon freikaufen oder Personal an die Aussengrenzen schicken.

Einmal mehr werden Symptome anstatt Ursachen bekämpft. Migration lässt sich so nicht verhindern und die verheerenden Zustände an den EU-Aussengrenzen werden nicht verbessert – im Gegenteil. Das neue GEAS hat für Schutzsuchende drastische Verschlechterungen zur Folge. Die geplanten Massnahmen verletzen die Grundprinzipien nationaler, europäischer und internationaler Rechtsabkommen, die jedem Menschen aufgrund seines Menschseins zustehen. Die Entwicklungen an den EU-Aussengrenzen gehen auch die Schweiz etwas an, nicht bloss aufgrund des Schengen- und des Dublin-Abkommens, sondern auch als Geburtsstätte der Genfer Flüchtlingskonvention. Der Abbau von Grundrechten bedroht uns alle! Wir sagen: Nicht in unserem Namen! Wir wollen eine offene Gesellschaft und sagen Nein zu Abschreckung und Abschottung! Es braucht einen neuen, angstfreien Blick auf die Migration.

Wir fordern deshalb den Bundesrat auf,

  • sich im Rahmen unserer Schengen/Dublin-Assoziierung für die Einhaltung von Menschenrechtsstandards und die vollumfängliche Respektierung der Rechte von Asylsuchenden einzusetzen;
  • die Aushöhlung der Genfer Flüchtlingskonvention und weiterer völkerrechtlicher Verträge konsequent sowohl im innen- als auch im aussenpolitischen Kontext zu bekämpfen;
  • im Rahmen des Solidaritätsmechanismus freiwillig eine angemessene Zahl Asylsuchende zu übernehmen.

Die Anerkennung der Würde und der gleichen Rechte aller Menschen ist die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt. Gefragt sind Schritte, die in diese Richtung führen.

Migrationscharta.ch, März 2024